Gerichtsentscheidungen
Hier veröffentliche ich von mir erstrittene Entscheidungen, die über den Einzelfall hinausgehend grundsätzliche Bedeutung haben können. Ältere Entscheidungen mögen aufgrund Änderung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften oder obergerichtlicher Rechtsprechung nicht mehr aktuell sein. Insbesondere bei Entscheidungen zum Flüchtingsrecht kommte es auf die tagesaktuelle Lage in den Herkunftsländern an.
VG Cottbus zur Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung "in den Herkunftsstaat"
Mitunter ist die Staatsangehörigkeit eines Schutzsuchenden aufgrund komplizierter staatsangehörigkeitsrechtlicher Regelungen (hier: Eritrea bzw. Äthiopien) nicht einfach zu ermitteln. Lehnt das Bundesamt den Asylantrag dann als offensichtlich unbegründet ab und droht die Abschiebung "in den Herkunftsstaat" an, ohne den Zielstaat konkret zu bezeichnen, so handelt es sich dabei nach ganz überwiegender Auffassung um keinen Verwaltungsakt. Wird der Zielstaat später namentlich festgestellt, muss der Betroffene dann die Möglichkeit besitzen, Abschiebungsverbote hinsichtlich dieses Staates vorzutragen. Ein Eilantrag zur Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist in diesem Fall unzulässig. Dies hatte das Bundesamt hier allerdings veranlasst, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Abschiebungsandrohung vollziehbar sei und die Abschiebung erfolgen dürfe. Die Ausländerbehörde zog die Aufenthaltsgestattung ein und erteilte wegen Passlosigkeit eine Duldung. Das Sozialamt kürzte Leistungen. So geht es nicht, sagt das VG Cottbus. Das Bundesamt wurde verpflichtet, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Abschiebungsandrohung nicht vollziehbar ist (VG Cottbus, Beschl. v. 22.01.2018 - VG 6 L 726/17.A).
VG Berlin zur Gefährdung von ISAF-Mitarbeitern in Afghanistan
ISAF-Mitarbeiter unterliegen in Afghanistan der Gefahr, von Taliban asylerheblich verfolgt zu werden. Dies ist wegen der gegnerischen Einstellung politische Verfolgung. Hat bereits eine Verfolgung stattgefunden (hier: Bedrohungen und Entführungsversuch), so kann sich der Betroffene auf Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie berufen. Das Bundesamt muss darlegen, dass "stichhaltige Gründe" eine erneute Verfolgung ausschließen. Dieser Prognosemaßstab gilt auch für die Frage, ob eine landesweite Verfolgung droht. Unter Auswertung verschiedener Quellen kommt das VG Berlin zu dem Ergebnis, dass die Taliban landesweit gesuchte Personen aufspüren können (VG Berlin, Urt. v. 18.12.2017 - VG 11 K 395.17 A).
VG Frankfurt/Oder zur Erforderlichkeit des persönlichen Gesprächs in Dublin-Verfahren:
Im Dublin-Verfahren ist das persönliche Gespräch zur Ermittlung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staats durchzuführen. Dies dient auch auch der Ermittlung etwaiger systemischer Mängel, bereits erfolgter Menschenrechtsverletzungen oder sonstiger Gründe, die einen Selbsteintritt rechtfertigen würden. So sieht es auch das VG Frankfurt/Oder. Im konkreten Fall war eine syrische Familie während der Flucht in der Türkei von ihrer gerade volljährigen Tochter getrennt worden. Diese landete in Dänemark während die Eltern in Deutschland Asylantrag stellten. Nachdem die Tochter vom Aufenthalt der Eltern und Geschwister in Deutschland erfuhr, kehrte sie nach Deutschland zurück, um bei ihrer Familie zu sein. Die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ohne vorherige Durchführung des persönlichen Gesprächs angeordnete Überstellung nach Dänemark stoppte das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder im Hinblick auf den Schutz der Familie und das Selbsteintrittsrecht des BAMF (VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 09.03.2017 - VG 7 L 453/16.A).
VG Frankfurt/Oder zur Beweislast beim sog. Zweitantrag:
Wird ein Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat bestandskräftig abgelehnt und wandert der Asylsuchende in einen anderen Mitgliedstaat zur erneuten Asylantragstellung weiter, so ist der Erststaat verpflichtet, den Asylsuchenden wieder aufzunehmen. Nach Ablauf von sechs Monaten ab Zustimmung geht die Zuständigkeit auf den Aufenthaltsstaat über. Die Prüfung, ob dann das Verfahren als Zweitantrag oder Erstantrag durchzuführen ist, obliegt dem Bundesamt, dass dazu ermitteln muss, ob das Erstverfahren im Erststaat tatsächlich bestandskräftig abgeschlossen ist. Gelingt die Ermittlung dem Bundesamt nicht, ist das Verfahren als Erstverfahren durchzuführen (VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 24.01.2017 - VG 4 L 4/17.A).
VG Potsdam zur Zustellung von Ladungen und Bescheiden sowie zur Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens:
Ein Asylsuchender hatte seine ladungsfähige Anschrift nach Umzug nur der Ausländerbehörde mitgeteilt, nicht aber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dieses hat das Verfahren eingestellt und den Bescheid öffentlich zugestellt. Das VG Potsdam hält dies für rechtswidrig. Ein öffentliche Zustellung ist jedenfalls bei ermittelbarem Aufenthaltsort des Betroffenen asylsuchenden nicht zulässig. Ohne entsprechende Belehrung darf auch das Asylverfahren nicht eingestellt werden (VG Potsdam, Beschl. v. 14.11.2016 - VG 4 l 1156/16.A).
OVG Berlin-Brandenburg zur Abschiebungsandrohung in den sicheren Drittstaat in Fällen bereits bestehenden Flüchtlingsschutz:
Das europäische Asylsystem ist gescheitert. Das liegt u.a. auch daran, dass in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Gegebenheiten hinschtlich der Situation für anerkannte Flüchtlinge vorliegen. Häufig können anerkannte Flüchtlinge, insbesondere solche, die besonderen Schutzbedarf haben, ihr wirtschaftliches Überleben in einigen Drittstaaten nicht sicherstellen oder öffentliche Leistungen genügen nicht. Stellen sie dann im Bundesgebiet einen Asylantrag, so lehnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge diesen als unzulässig ab und droht die Abschiebung in den Drittstaat an. Obwohl das AsylG dafür eine Abschiebungs"anordnung" vorsieht, will das Bundesamt die Abschiebung nur "androhen", um so der Fortsetzung des Verfahrens nach gewonnenem Eilantrag beim Verwaltungsgericht entgegenzuwirken (vgl. § 37 AsylG). So geht es nicht, sagt das Verwaltungsgericht. Den Berufungszulassungsantrag des Bundesamtes lehnt das OVG Berlin-Brandenburg ab, mit der Begründng ab, die Abschiebungsandrohung sei kein milderes Mittel gegenüber der Abschiebungsanordnung, sondern etwas anderes (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 03.11.2016 - OVG 3 N 3.10).
VG Cottbus zur Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens:
Hin und wieder versäumen es Asylantragsteller, ihre aktuelle Anschrift dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitzuteilen, weil sie davon ausgehen, dass dies die Meldestelle tut. In der Folge verpassen sie einen Anhörungstermin. Das Bundesamt kann das Asylverfahren dann einstellen. Das setzt aber voraus, dass das Bundesamt den Asylsuchenden über diese Folge auch hinreichend deutlich belehrt hat. Is das nicht der Fall, ist der Einstellungsbescheid rechtswidrig (VG Cottbus, Beschl. v. 06.10.2016 - VG 5 L 389/16.A).
VG Potsdam zum persönlichen Gespräch in Dublin-Verfahren:
Im Dublin-Verfahren ist das persönliche Gespräch zur Ermittlung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staats durchzuführen. Dabei ist der Reiseweg zu erfragen. Wird dies nicht gemacht, ist der Überstellungsbescheid rechtswidrig (VG Potsdam, Beschl. v. 26.09.2016 - 4 L 763/16.A).
VG Berlin zum Flüchtlingsschutz für Flüchtlinge aus Syrien:
Bis Mitte März 2016 erhielten Flüchtlinge aus Syrien generell den Flüchtlingsschutz, weil man davon ausging, dass Flüchtlinge von der syrischen Regierung als illoyal betrachtet und bei Rückkehr deswegen politisch verfolgt werden. Seit Mitte März 2016 erhalten Flüchtlinge nur noch subsidiären Schutz wegen des Bürgerkriegs in Syrien. In einer der ersten Klagen auf die Gewährung des Flüchtlingsschutz sieht die 23. Kammer des VG Berlin Erfolgsaussichten und gewährt Prozeßkostenhilfe (VG Berlin, PKH-B. v. 15.09.2016 - VG 23 K 830.16 A).
VG Potsdam zum Verfahren nach Zuerkennung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat:
Wer in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiären Schutz erhalten hat, dann nach Deutschland weiterwandert und hier die Flüchtlingseigenschaft beantragt, dessen Asylantrag ist nicht unzulässig, wenn er vor dem 20.07.2015 gestellt wurde. Dies ergibt sich aus einer Änderung der EU-Verfahrensrichtlinie. Das BVerwG hat dies bereits im Oktober 2015 entschieden. Trotz meines Hinweises auf diese Entscheidung sieht sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außerstande, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und läßt sich verurteilen (VG Potsdam, Gb. v. 06.09.2016 - VG 6 K 2326/15.A).
VG Potsdam zur Situation in Somalia:
Somalia wird bislang als "failed state" bezeichnet. Das Land ist durch jahrzehntelange Kämpfe verschiedener Clans zerrissen. Teile des Landes werden von den islamistischen El-Shaabab-Milizen beherrscht. Das VG Potsdam gewährt wegen der Gefahr, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, internationalen subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG (VG Potsdam, Gb. v. 06.09.2016 - VG 6 K 2281/16.A).
VG Berlin zu systemischen Mängeln des Asylsystems in Ungarn:
Die Lage in Ungarn ist für Asylsuchender derart prekär, dass das Asylsystem dort mit systemischen Mängeln behaftet ist. Abschiebung dürfen nach dort nicht angeordnet werden (VG Berlin, Urt. v. 04.05.2016 - VG 9 K 401.15 A).
VG Frankfurt/Oder zur Überstellungsfrist in Verfahren gemäß der Dublin III-Verordnung:
Ist für die Entscheidung über einen Asylantrag ein anderer Mitgliedstaat (hier: Italien) zuständig, hat das Bundesamt den Asylsuchenden innerhalb von sechs Monaten ab Zustimmung der Auf- oder Wiederaufnahme nach dort zu überstellen. Erfolgt dies nicht, geht die Zuständigkeit über. Der Dublin-Bescheid wird dann rechtswidrig (VG Frankfurt/Oder, Gb. v. 21.03.2016 - VG 5 K 364/15.A).
VG Potsdam zu systemischen Mängeln des Asylsystems in Bulgarien:
Bestehen im eigentlich zuständigen Staat für die Durchführung des Asylverfahrens systemische Mängel, so darf nach dort nicht überstellt werden. Für Bulgarien sieht die 4. Kammer des VG Potsdam solche Mängel (VG Potsdam, Gb. v. 07.03.2016 - VG 4 K 2418/14.A).
VG Schwerin zur Krankenversorgung in der Russischen Förderation
Die Krankenversorgung für alte Menschen, die an multiplen Erkrankungen leiden und pflegebedürftig sind, ist in der Russischen Förderation nicht gewährleistet. Da bei Rückkehr eine Gefahr für Leib und Leben besteht, gewährt das VG Schwerin ein Abschiebungsverbot (VG Schwerin, Urt. v. 20.11.2015 - 15 A 660/14 As)
Kammergericht untersagt Auslieferung nach Bulgarien:
Wegen der sclechten Haftbedingungen für psychisch kranke Flüchtlinge in Bulgarien darf nach dort nicht ausgeliefert werden. Die bulgarische Straftjustiz hatte einen iranischen Flüchtling wegen kleiner aufentaltsrechtlichen Verstöße zu einer langen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Der darin liegende Verstoß gegen art. 3 EMRK bzw. Art. 5 EMRK musste aber vom Kammergericht nicht mehr berücksichtigt werden (KG, Beschl. v. 17.11.2015 - (4)151 AuslA 202/14 (62/15)).
VG Potsdam zur Behandlung von Asylsuchenden in Italien:
In Italien sind Asylsuchende regelmäßig für einen längeren Zeitraum von Obdachlosigkeit bedroht. Das kann ein systemischer Mangel sein, so das VG Potsdam. Eine Überstellung nach Italien sei daher nur zulässig, wenn die italienischen Behörden eine Unterbringung im Einzelfall garantieren (VG Potsdam, Beschl. v. 19.10.2015 - VG 12 L 816/15.A).
VG Potsdam zur Behandlung von Asylsuchenden in Ungarn:
Zum Anfang Juli 2015 hat Ungarn die Regelungen für Asylsuchende verschärft. Schon vorher hatte die ungarische Regierung ausdrücklich erklärt: "Das Boot ist voll". Seit Jahren geht es in Ungarn in der Flüchtlingspolitik hin und her. Gesetze werden verschärft, die EU-Kommission kritisiert das als europarechtswidrig. Auch der UNHCR kritisiert die ungarische Regierung. Ungarn rudert zurück, die EU nimmt das zur Kenntnis. Gesetze werden wiederum verschärft, die EU-Kommission kritisiert das erneut als europarechtswidrig. Wieder rudert die ungarische Regierung zurück. Mit der Erklärung, Flüchtlinge, die über Griechenland eingereist seien, zurückzuschicken und einen Zaun an die serbische Grenze zu setzen, hat es die aktuelle ungarische Regierung überreizt. Das VG Potsdam bringt es auf den Punkt: Das für ein funktionierendes europäisches Asylsystem erforderliche Vertrauen ist verspielt (VG Potsdam, Beschl. v. 20.07.2015 - VG 6 L 356/15.A und VG Postdam, Beschl. v. 03.07.2015 - VG 4 L 795/15.A). Inzwischen baut Ungarn Zäune an den Schengen-Binnengrenzen zu Kroatien, Rumänien und Slowenien. Das verletzt Art. 20 Schengener Grenzkodex. Die Vorschrift lautet: Die Binnengrenzen dürfen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person an jeder Stelle ohne Personenkontrolle überschritten werden. Gemäß Art. 23 SGK dürfen Grenzkontrollen bei schwerwiegender Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bis zu 30 Tage eingeführt werden. Bei allem Respekt: die jetzige ungarische Regierung legt es ganz offensichtlich auf eine schwere Erschütterung der europäischen Beziehungen an.
VG Potsdam zur Gleichbehandlung von Geschwistern in Dublin-Verfahren:
Folgendes war passiert: Ein Syrer bringt seinen durch eine Granatenangriff verletzten Bruder über das Mittelmeer und Italien nach Deutschland. In Italien werden beide registriert, aus unaufklärbaren Gründen wird aber nur bei einem die Registrierung in das EURODAC-System eingespeist, sodass im Asylverfahren in Deutschland nur bei diesem der Voraufenthalt in Italien beweisbar war. Der verletzte Bruder hatte allerdings wahrheitsgemäß darauf hingewiesen, dass auch er in Italien war. Dieser erhält in Deutschland Asyl, der Bruder hingegen soll nach Italien. So geht es nicht, beschließt das VG Potsdam. Es verletzt das Willkürverbot aus Art. 3 GG, bei gleichem Sachverhalt unterschiedlich zu entscheiden (VG Potsdam, Beschl. v. 17.07.2015 - VG 6 L 381/15.A). Im Hinblick auf das Verfolgungs- und Fluchtschicksal der Brüder hatte ich mich beim Bundesamt übrigens nach Anerkennung des verletzten Bruders um einen Selbsteintritt im Verfahren des anderen Bruders bemüht. Dieses wurde unverständlicherweise abgelehnt.
VG Potsdam zur Behandlung von Asylsuchenden in Italien:
Für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge ist die Situation in Italien sehr schwierig. Aufgrund verzögerter Registrierung erhalten sie nicht das, was sie benötigen. Deswegen hatte der EGMR und das Bundesverfassungsgericht im Falle von Familien mit Kleinkindern gefordert, dass die italienischen Behörden vor der Rückführung nach dort eine Erklärung abgeben, dass die ordnungsgemäße Aufnahme und Unterbringung garantiert wird. Nichts anderes gilt bei schwer kranken Flüchtlingen. Auch hier kann sich eine Versagung der ordungsgemäßen Aufnahme während des Asylverfahrens als Menschenrechtsverletzung darstellen (VG Potsdam, Beschl. v. 30.06.2015 - VG 6 L 389/15.A).
AG Halberstadt zu Kosten der Vertretung in Abschiebungshaftsachen:
Und auch das AG Halberstadt entscheidet, dass Rechtsanwälte in Abschiebungshaftverfahren angemessen zu honorieren sind. Abschiebungshaftsachen sind sachlich- und rechtlich schwierig (AG Halberstadt, Beschl. v. 15.06.2015 - 11 XIV 27/14).
VG Berlin zum Schutzstatus bei Einreise aus einem sicheren Drittstaat (hier: Polen):
Asylrecht kann kompliziert sein! Asylsuchende können verschiedene Rechte geltend machen. Sie können als Flüchtling anerkannt werden, aber auch nur subsidiären Schutz erhalten. Hier ist das beschrieben. Nun kommt es vor, dass Asylsuchende in anderen europäischen Staaten - eventuell zu Unrecht - nur einen Schutzstatus niederer Qualität erhalten, z.B. nur internationalen subsidiären Schutz. Da die Rechte, die sich aus dem Flüchtlingsschutz ergeben, weitergehend sind als die Rechte aus subsidiärem Schutz, begeben sich die Betroffenen weiter nach Deutschland. Das Bundesamt sagt: der Asylantrag ist unzulässig, ein Schutzstatus ist ja bereits gewährt. Das sieht das VG Berlin anders. Trotz des bereits gewährten Schutzstatus gelten weiter die Dublin-Regelungen. Und daraus ergibt sich, dass Asylsuchende einen Anspruch auf umfassende Prüfung ihres Schutzgesuchs in Deutschland haben, wenn Polen dies ablehnt (VG Berlin, Beschl. v. 06.05.2015 - VG 33 L 121.15.A).
VG Berlin zu Abschiebungskosten:
Grundsätzlich hat ein Ausländer die Kosten einer gegen ihn gerichteten Abschiebung zu tragen. Das kann teuer werden, denn auch vergebliche Kosten oder Kosten der vorgeschalteten Abschiebungshaft sind davon umfasst. Im vorliegenden Fall wurde der Betroffene mehrfach im Rahmen der Dublin II-Verordnung nach Slowenien abgeschoben. Er sollte Kosten von über 30.000,-- € tragen. Kosten sind aber nur dann zu tragen, wenn die kostenverursachenden Maßnahmen auch rechtmäßig sind. Das darf das Verwaltungsgericht im Kostenprozeß vollständig prüfen. Hier war die gegen den Betroffenen gerichtete mehrmalige Abschiebungshaft rechtswidrig, denn entweder war er gemäß dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) vor den Inhaftnahme nicht darüber belehrt worden, dass er seine Heimatvertretung verständigen darf bzw. der Haftantrag wurde nicht ausgehändigt. Da die Ausländerbehörde auch die übrigen Kosten im Wesentlichen nicht präzisierte, hob das Verwaltungsgericht den Bescheid fast vollständig auf (VG Berlin, Urt. v. 20.04.2015 - VG 15 K 326.13). Die Entscheidung betraf einen Dublin II-Fall. Gemäß der aktuell anzuwendenden Dublin III-VO dürfen Kosten nicht mehr gegen zu überstellende Personen geltend gemacht werden.
VG Berlin zur Frage, ob Dublin-Überstellungen eine Wiedereinreisesperre auslösen:
§ 11 AufenthG bestimmt, dass derjenige, der abgeschoben wird, erst wieder einreisen darf, wenn die Sperre aufgehoben ist. Die Behörden haben solche Wiedereinreisesperren von Amts wegen zu befristen, also von vornherein zu bestimmen, wie lange die Sperre gilt. Bislang ungeklärt ist die Frage, ob diese Sperre auch eintritt, wenn ein Asylsuchender im Rahmen der Dublin III-Verordnung in einen anderen europäischen Staat zuständigkeitshalber überstellt wird. Unter Hinweis auf eine Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein, welches diese Frage verneint, bewilligt das VG Berlin Prozeßkostenhilfe (VG Berlin, Beschl. v. 01.04.2015 - 24 K 382.14).
AG Frankfurt/Oder zu Kosten der Vertretung in Abschiebungshaftsachen:
Auch das AG Frankfurt/Oder entscheidet, dass Rechtsanwälte in Abschiebungshaftverfahren angemessen zu honorieren sind. Abschiebungshaftsachen sind sachlich- und rechtlich schwierig, besonders in Dublin-Verfahren (AG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 31.03.2015 - 72 XIV 1/14).
VG Frankfurt/Oder zur Anwendung der Dublin-Regelungen:
Mitunter kommt es vor, dass Flüchtlinge den an sich zuständigen Staat (hier: Italien) verlassen, bevor sie dort einen Status erhalten. Wird in einem solchen Fall im Bundesgebiet dann Asylantrag gestellt, sind bis zur vollständigen Aufklärung des Status im zuständigen Staat Dublin-Regelungen anwendbar und nicht die Regelungen über sichere Drittstaaten. Werden die Dublin-Regelungen nicht eingehalten, darf auf deren Grundlage nicht überstellt werden (VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 30.03.2015 - VG 6 L 809/14.A).
36. Kammer des VG Berlin zur Situation Asylsuchender in Ungarn:
Auch die 36. Kammer des VG Berlin sieht Probleme für Asylsuchende in Ungarn, schließt sich der Entscheidungspraxis der 23. Kammer an und stoppt Überstellungen von Asylsuchenden nach Ungarn (VG Berlin, Beschl. v. 17.03.2015, VG 36 L 36.15.A).
VG Potsdam zur Situation Asylsuchender in Italien:
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2014 entschieden, dass es belastbare Erkenntnisse zu systemischen Mängeln im italienischen Asylsystem gibt und das deswegen besonders schutzbedürftige Flüchtlinge nun nach Italien überstellt werden dürfen, wenn die italienischen Behörden im jeweils konkreten Einzelfall garantieren, dass deren Bedüfnisse (Unterbringung, Krankenversorgung) erfüllt werden. Die überwiegende Meinung der deutschen Verwaltungsgerichte ist zur Frage der besonderen Schutzbedürftigkeit folgender Auffassung: junge alleinstehende Männer sind dies nicht, weswegen sie vorübergehende Obdachlosigkeit hinzunehmen hätten. Nicht so die Einzelrichterin der 10. Kammer des VG Potsdam in einer beachtenswert klaren Entscheidung (VG Potsdam, Beschl. v. 25.02.2015 - 10 L 1257/14.A).
LG Dessau-Roßlau zur erforderlichen Fluchtgefahr für die Abschiebungshaft:
Der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG liegt nicht vor, wenn der Betroffene auch nach bereits erfolgter Abschiebung wiederholt ins Bundesgebiet einreist, dann aber selbst bei der Ausländerbehörde vorspricht (LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 19.02.2015 - 8 T 54/15).
VG Cottbus zur Situation anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien:
Wie das VG Trier hat auch das VG Cottbus Bedenken gegen die Überstellung von dort anerkannten Flüchtlingen nach Bulgarien. Im konkreten Einzelfall ging es um ein syrisches Ehepaar, er psychisch krank, sie schwanger und deswegen reiseunfähig. Das Verwaltungsgericht Cottbus stellt unter Hinweis auf Auskünfte fest, dass jedenfalls im Einzelfall bei besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen das Existenzminimum in Bulgarien nicht gewährleistet ist und damit völlige Verwahrlosung droht. Deswegen darf nach dort nicht überstellt werden (VG Cottbus, Beschl. v. 18.02.2015 - VG 1 L 397/14.A).
VG Berlin zum Familienflüchtlingsschutz von Heranwachsenden
Minderjährige von anerkannten Flüchtlingen erhalten den Familienflüchtlingsschutz. Werden die Kinder volljährig, ohne dass bereits über den Antrag des Elternteils entschieden wurde, darf auch über den Antrag des volljährigen Kindes nicht entschieden werden, wenn der Asylantrag noch im Zeitraum der Minderjährigkeit gestellt wurde (VG Berlin, Beschl. v. 17.02.2015 - VG 33 L 57.15 A).
VG Trier zur Situation anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien:
Nach Deutschland kommen nicht nur Asylsuchende mit dem Vorwurf, andere europäische Staaten wie Griechenland, Ungarn, Bulgarien oder Italien würden ihre Menschenrechte im Asylverfahren verletzen, sondern auch solche, die in diesen Ländern als Flüchtlinge anerkannt worden sind. Nach Anerkennung sind Flüchtlinge den jeweiligen Staatsangehörigen rechtlich im Wesentlichen gleichzustellen. Das steht so in der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951. Wo das nicht geschieht, kann nicht davon gesprochen werden, dass der jeweilige Staat für den Flüchtling sicher ist. Bemerkenswert kurz legt das VG Trier dar, dass die Kläger (syrische Familie mit minderjährigen Kindern) als besonderes schutzbedürftige Flüchtlinge nicht nach Bulgarien überstellt werden dürften und hebt den Überstellungsbescheid auf (VG Trier, Urteil v. 10.02.2015, 1 K 1323/14.TR). Vorher hatte das Gericht einen Eilantrag noch abgelehnt.
AG Dresden zu Kosten der Vertretung in Abschiebungshaftsachen:
Wieder einmal muss ein Amtsgericht eine Entscheidung zu den Kosten der Vertretung in Abschiebungshaftsachen treffen. Das Ausgangsverfahren war sehr aufwändig, da der Betroffene krank war, weder deutsch noch englisch sprach und das Verfahren rechtlich kompliziert war. Deswegen beantragte ich nach gewonnenem Prozeß eine Gebühr in Höhe von 30% über der Mittelgebühr. Noch aufwändiger war der dann folgende Schriftwechsel, in dem die Bundespolizei u.a. darlegte, das Haftrecht sei doch sachlich und rechtlich nicht schwierig. Auf meinen Hinweis, dass der BGH (als 3. Instanz im Instanzenzug) über 85 % aller Inhaftierungen als rechtswidrig erklärt hat, es also nicht so einfach sein könne, gab das Amtsgericht dem Antrag statt (AG Dresden, Beschl. v. 09.02.2015 - 270 XIV 92/13 (B)).
LG Bonn zur Abschiebungshaft:
Gleich zu mehreren Fragen musste das LG Bonn Stellung beziehen. Behörden haben in Haftanträgen eine Prognose anzugeben, wann eine Abschiebung durchgeführt werden kann. Tut sie dies nicht, ist die Haft rechtwidrig. Damit ist klargestellt: Eine Haft "ins Blaue hinein" ist nicht zulässig. Beruft sich die Behörde zudem auf den Haftgrund des § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AufenthG (Verlassen des zugewiesenen Aufenthaltsbereichs ohne Meldung), so ist die Darlegung im Haftantrag erforderlich, dass der Betroffene über die Folgen seines Verhaltens ordungsgemäß belehrt wurde (LG Bonn, Beschl. v. 02.02.2015 - 4 T 3/15).
23. Kammer des VG Berlin sieht "systemische Mängel" des Asylsystems in Ungarn
Gemäß der Dublin III-Verordnung ist der Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, den der Asylsuchende zuerst betreten hat. Zuständig war hier für einen syrischen Staatsangehörigen nach Auffassung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Ungarn. Es ist allerdings bekannt, dass der ungarische Staat sog. "Dublin-Rückkehrer" für acht Wochen in Haft nimmt, ohne dass diese die Möglichkeit haben, diese Inhaftierung effektiv bei Gericht anzugreifen. Auch eine fachgerechte psychiatrische Behandlung wird in der Haft nicht erfolgen. Der Betroffene ist nach Flucht aus Syrien psychisch erkrankt. Zu Recht stellt das VG Berlin die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung her, weil sich das unprüfbare Einsperren eines Asylsuchenden, den man nicht abschieben kann und der behandlungsbedürftg ist, als drohende Menschenrechtsverletzung darstellt (VG Berlin, Beschl. v. 18.12.2014 - VG 23 L 749.14 A).
VG Potsdam: gerichtliches Eilverfahren in Dublin-Verfahren hindert den Ablauf der sechs-monatigen Überstellungsfrist nicht
Wie schon die Dublin II-Verordnung sieht auch die Dublin III-Verordnung vor, dass nach Zustimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaats der Asylsuchende binnen sechs Monaten nach dort zu überstellen ist. Rechtlich umstritten ist weiterhin, ob das vom Asylsuchenden angestrengte gerichtliche Eilverfahren (Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer gleichfalls erhobenen Klage gegen den Überstellungsbescheid) die Überstellungsfrist unterbricht, hemmt oder gar keine Wirkung auf den Lauf der Frist hat. Die 6. Kammer des VG Potsdam vertritt die Auffassung, dass der Eilantrag auf den Lauf der Frist keine Auswirkungen hat. Dem schließt sich die 4. Kammer an (VG Potsdam, Gerichtsbescheid v. 05.12.2014 - 4 K 2031/14.A). Nur ein vor Ablauf der Frist erfolgter postiver Eilbeschluss unterbricht die Frist.
VG Potsdam: "systemische Mängel" des Asylsystems in Spanien?
Gemäß der Dublin III-Verordnung ist der Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, der für den Asylsuchenden ein Visum ausgestellt hat. Das war hier für eine kenianische Asylsuchende Spanien. Diese berief sich allerdings darauf, dort nicht hinreichend wegen ihre erheblichen psychischen Erkrankung, die sie ausführlich mit ärztlichen Stellungnahmen und Attesten belegen konnte, versorgt zu werden. Obwohl sie ihr Einverständnis erklärte, dass ihre Gesundheitsdaten an die spanischen Behörden mitgeteilt werden, damit diese sie versorgen können, sah sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außerstande, Vorkehrungen für eine dringend erforderliche Anschlussbehandlung in Spanien zu treffen. Das Verwaltungsgericht Potsdam stoppte daraufhin die Überstellung nach Spanien (VG Potsdam, Beschl. v. 26.11.2014 - 6 L 573/14.A). Es handelt sich um bundesweit einer der ersten Entscheidungen in Dublin-Verfahren zu Spanien, die zeigt, dass auch betreffend die Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge in Spanien näher hinzusehen ist.
LG Neubrandenburg zur Aushändigung des Haftantrages bei Abschiebungshaft
Der BGH hat entschieden, dass Haftanträge zur effektiven Wahrnehmung der Rechte von Abschiebungshaft betroffener Ausländer vor der Anhörung in der Regel auszuhändigen sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Sach- und Rechtslage schwierig ist, so etwa in Dublin-Fällen (LG Neubrandenburg, Beschl. v. 25.11.2014 - 12 T 230/14).
LG Köln zur öffentlichen Zustellung aufenthaltsbeendender Bescheide:
Wird ein Schriftstück öffentlich zugestellt, muss einiges beachtet werden. So muss aktenkundig gemacht werden, dass die zustellende Behörde alles mögliche versucht hat, den Empfänger ausfindig zu machen. Tut sie dies nicht, ist der aufenthaltsbeendende Bescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt und der Betroffene ist nicht verpflichtet, Deutschland zu verlassen. Selbstverständlich ist dann auch eine eventuelle Abschiebungshaft rechtswidrig (LG Köln, Beschl. v. 25.11.2014 - 39 T 250/14).
LG Halle/Saale zu den Haftgründen Nr. 2 und 3:
Nach der Entscheidung des BGH vom 26.06.2014 zur Unanwendbarkeit der Haftgründe § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 und 5 AufenthG in Dublin-Fällen ist Haft im Grunde nur noch möglich, wenn ein Betroffener sich der geplanten oder terminierten Überstellung entzieht. Allerdings sind die dies benennenden Haftgründe in § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG auch nicht ohne weiteres anzunehmen. Zum Haftgrund Nr. 2 (Meldeverstöße) muss der Betroffene über die haftrechtlichen Folgen vorher ordnungsgemäß belehrt werden, zum Haftgrund Nr. 3 (Entziehung) muss der Betroffene den Überstellungstermin selbst gekannt haben (LG Halle, Beschl. v. 17.11.2014 - 14 XIV(B) 31/14).
LG Neubrandenburg zur Trennung von Mutter und Sohn durch Haft:
Die Überschrift macht klar: es geht um einen Haftfall, den das Landgericht Neubrandenburg (LG Neubrandenburg, Beschl. v. 29.10.2014 - 12 T 130/14) in der Beschwerde zu entscheiden hatte. Folgendes war passiert: Eine Frau aus Somalia und alleinerziehende Mutter ihres etwa 17-jährigen Sohnes sollten nach Italien zur dortigen Durchführung ihres Asylverfahrens überstellt werden. Damit dieses sichergestellt werden kann, wurde die Frau auf Veranlassung der Ausländerbehörde Mecklenburgische Seenplatte in die über 200 km entfernte Abschiebungshaft genommen, der Sohn beim örtlichen Jugendamt einquartiert. Dass das unverhältnismäßig ist, steht außer Frage. Nicht so aber für die Behörde, die das nicht einmal im Haftantrag erwähnt. Der Haftantrag wird natürlich auch nicht der Mutter vor der Anhörung beim Haftrichter ausgehändigt und erörtert wird die Trennung vom minderjährigen Sohn bei der Haftanhörung auch nicht. Dass der Haftrichter in seinem Haftbeschluss etwas von der Trennung erwähnt? Wozu das denn! Das erklärt das Landgericht Neubrandenburg zu Recht als rechtswidrig.
VG Potsdam zu Kosten eines Abänderungsantrags gemäß § 80 Abs. 7 VwGO
In Asylverfahren hat nicht jede Klage automatisch die aufschiebende Wirkung. Man muss diese mit einem Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragen. Lehnt das Gericht dies ab und ändert sich die Sach- oder Rechtslage, so kann man gemäß § 80 Abs. 7 VwGO erneut einen solchen Antrag stellen. Wer aber bezahlt die Rechtsanwaltskosten für einen solchen Antrag? Viele Gerichte gehen davon aus, dass der Erstantrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und der Änderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO nur einmal eine Gebühr für den Rechtsanwalt auslöst. Deswegen soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für den verlorenen Änderungsantrag nicht erstattungspflichtoig sein. Ein merkwürdiges Ergebnis: Obwohl der Asylsuchende gegen die Bundesrepublik Deutschland einen Teilerfolg erzielt hat, soll er die Rechtsverfolgungskosten nicht erstattet bekommen. Das sieht das VG Potsdam zu Recht anders (VG Potsdam, Beschl v. 29.10.2014 - 6 L 663/14.A). P.S.: Inzwischen hat das Gericht seine Auffassung leider geändert.
VG Potsdam: "systemische Mängel" des Asylsystems in Bulgarien?
Gemäß der Dublin III-Verordnung ist der europäische Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, den der Betroffene zuerst betreten hat. Ist ein Staat allerdings nicht in der Lage Asylsuchenden den ihn zustehenden Schutz zu gewährleisten, darf nach dort nicht überstellt werden. Die Betroffene war über Bulgarien in das Bundesgebiet eingereist. Die Betroffene berief sich auf systemische Mängel in Bulgarien. Das Verwaltungsgericht Potsdam stellt die aufschiebende Wirkung der Klage her (VG Potsdam, Beschl. v. 28.10.2014 - 4 L 955/14.A).
VG Cottbus zum Gegenstandswert in Dublin-Verfahren:
Damit die anwaltliche Vertretung in Asylverfahren für den Rechtsanwalt wirtschaftlich überhaupt noch tragbar ist, hat der Gesetzgeber 2013 den Gegenstandswert in § 30 RVG erhöht. Allerdings hat er dem Gericht auch die Möglichkeit gegeben, diesen Wert im konkreten Einzelfall je nach Umfang und Bedeutung der Tätigkeit höher oder niedriger anzusetzen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist der Auffassung, Dublin-Verfahren seien nach Bedeutung und Umfang weniger wert und beantragt daher die generelle Absenkung des Gegenstandswerts. Das ist nicht richtig und so sieht es auch das VG Cottbus (VG Cottbus, Beschl. v. 20.10.2014 - VG 3 L 308/13.A).
AG Detmold zum (notwendigen) Vorabhaftantrag bei Fluchtgefahr:
Beabsichtigt eine Ausländerbehörde einen Ausländer zum Zweck der Abschiebung in Abschiebungshaft zu nehmen, so muss sie vorher einen Richter damit befassen. Das sieht das Grundgesetz vor. Mitunter kann eine vorherige Einschaltung des Richters nicht erfolgen, z.B. bei Spontanaufgriffen. Dann muss das gerichtliche Verfahren unverzüglich nachgeholt werden. Ist der Ausländerbehörde bekannt, dass für den Fall einer Abschiebung mit einer Flucht zu rechnen ist, darf auf die Einholung des Vorabhaftbeschlusses nicht verzichtet werden (AG Detmold, Beschl. v. 30.09.2014 - 23 XIV 2870/B). Dies ist haftrechtlicher Standard und ansich nicht berichtenswert. Unglaublich aber die Begründung des Amtsgerichts: die Fluchtgefahr wird aus der Tatsache hergeleitet, dass der Betroffene sich mithilfe eines Rechtsanwalts gegen die geplante Abschiebung wehrt.
LG Bonn zur Überstellungshaft gemäß Art. 28 Dublin III-Verordnung:
Der BGH hat entschieden, dass nach aktueller Rechtslage bis auf Weiteres in Dublin-Fällen nur noch eine Wechsel des Aufenthaltsorts ohne Mitteilung an die Ausländerbehörde oder ein Fernbleiben an der angekündigten Abschiebung die Abschiebungshaft rechtfertigen. Dabei muss der Wechsel des Aufenthalts dem Ziel diesen, einer potentiellen Abschiebung zu entgehen. Zu Recht weist das LG Bonn einen Haftantrag einer Ausländerbehörde zurück, wenn das Verhalten des Betroffenen fast 10 Jahre zurückliegt (LG Bonn, Beschl. v. 20.08.2014 - 4 T 260/14).
VG Chemnitz zur Anwendung der Dublin III-Verordnung auf palästinensische "ipso facto"-Flüchtlinge:
Palästinensische Flüchtlinge aus Syrien oder Libanon unterstehen dort in den Lagern häufig dem Schutz der Vereinten Nationen. Der EuGH hat bereits 2012 entschieden, dass für diese kein vollständiges Asylverfahren mehr durchzuführen ist, wenn sie mit berechtigten Gründen den Schutz der Vereinten Nationen verlassen mussten. Zu Recht sieht das VG Chemnitz in einem solchen Fall Klärungsbedarf zur Frage, ob dann die Dublin III-Verordnung anwendbar ist und ordnet die aufschiebende Wirkung einer Klage eines palästinensischen Flüchtlings aus Syrien gegen die Abschiebungsanordnung nach Italien an (VG Chemnitz, Beschl. v. 13.08.2014 - A 5 L 211/14).
LG Halle/Saale: Abschiebungshaft bei Ablauf der Überstellungsfrist gemäß der Dublin III-Verordnung unzulässig:
Asylsuchende, die über einen Mitgliedstaat der EU nach Deutschland einreisen, müssen nach Ablehnung des Asylantrags in den zuständigen Staat (hier: Italien) zurückkehren. Nach Zustimmung der Aufnahme oder Wiederaufnahme des zuständigen Staates läuft eine Frist von sechs Monaten, in der der Asylsuchende ggf. dorthin abzuschieben ist. Ist diese Frist, die nach zutreffenderAuffassung des LG Halle/Saale auch durch ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren nicht gehemmt oder unterbrochen wird, abgelaufen, ist eine Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nicht mehr möglich. Dann ist auch die Haft zur Sicherung dieser Abschiebung nicht mehr zulässig (LG Halle/Saale, Beschl. v. 12.08.2014 - 1 T 61/14).
LG Dresden zur (Un-)Zulässigkeit der Abschiebungshaft bei Suizidgefahr:
Nicht selten landen Flüchtlinge mit einem schlimmen Verfolgungsschicksal in Abschiebungshaft. Hier traf es einen Syrer aus Homs, der dem Schrecken des Bürgerkriegs entkommen konnte. Nachdem ihm in Tschechien der Flüchtlingsstatus verweigert wurde und damit auch eine Anerkennung seines Verfolgungsschicksals, machte er sich nach Deutschland auf den Weg, wo er auf Veranlassung der Bundespolizei in Überstellungshaft genommen wurde, um ihn im Rahmen der Dublin III-Verordnung nach Tschechien zu überstellen. In der Haft äußerte er sich gegenüber mehreren Personen, er würde seinem Leben ein Ende setzten. Eine eingehende fachpsychiatrische Untersuchung über die Suizidgefährdung wird zunächst nicht vorgenommen. Eine Haftentlassung erfolgte ebenfalls erst einmal nicht. Zu Unrecht, beschließt das LG Dresden. Suizidandrohungen mögen zwar für das aufenthaltsrechtliche Verfahren "mißlich" sein, sind aber gleichwohl nicht "auf die leichte Schulter" zu nehmen (LG Dresden, Beschl. v. 06.08.2014 - 2 T 929/13).
VG Berlin zur Lebensunterhaltssicherung bei Erwerbsunfähigkeit im Alter
Häufig leben Migranten viele Jahre im Bundesgebiet, ohne sich um den Erwerb der Niederlassungserlaubnis zu kümmern. Im Alter ist die dazu erforderliche Lebensunterhaltssicherung dann nicht mehr vollständig möglich, weil die Rente nicht reicht. Das Gesetz läßt die Erteilung der Niederlassungserlaubnis bei fehlender Lebensunterhaltssicherung nur zu, wenn diese aus Gründen einer Erkrankung nicht möglich ist. Diese Begünstigung gilt aber nicht bei sog. altersbedingten Erkrankungen. Das VG klärt darüber auf, was altersbedingte Erkrankungen sind. Erkrankungen, die häufig im Alter auftreten, aber auch schon vorher auftreten können (z.B. Demenz), können auch nicht-altersbedingte Erkrankungen sein. Das Gericht verpflichtet die Ausländerbehörde zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (VG Berlin, Urt. v. 05.08.2014 - VG 15 K 475.13 A). Die Entscheidung ist rechtskräftig, nachdem das Land Berlin die Berufung zurückgenommen hat.
VG Frankfurt/Oder zur sechs-monatigen Überstellungsfrist in Dublin II-Verfahren:
Die Dublin II-Verordnung sieht vor, dass nach Zustimmung des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaats der Asylsuchende binnen sechs Monaten nach dort zu überstellen ist. Rechtlich umstritten ist, ob das vom Asylsuchenden angestrengte gerichtliche Eilverfahren (Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer gleichfalls erhobenen Klage gegen den Überstellungsbescheid) die Überstellungsfrist unterbricht, hemmt oder gar keine Wirkung auf den Lauf der Frist hat. Die 4. Kammer des VG Frankfurt/Oder entscheidet, dass ein negativer Eilbeschluss keine Wirkung auf den Lauf der sechs-monatigen Überstellungsfrist hat (VG Frankfurt/Oder, Beschl. 31.07.2014 - VG 4 L 540/14.A).
VG Minden zur Verfolgung durch die Taliban:
"Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich." Nach dieser Maxime verfolgten die Taliban in Afghanistan früher Andersgläubige oder Andersdenkende. Zwar sind die Taliban offiziell seit langem nicht mehr an der Macht, allerdings haben sie sich nach gutachterlichen Feststellungen in allen Machtstrukturen in Afghanistan "eingenistet". Deswegen sind Morddrohungen gegen Gegner der Taliban erst zu nehmen. Der Betroffene wird als Flüchtling anerkannt (VG Minden, Urteil v. 30.07.2014 - 3 K 3670/13.A).
VG Berlin zur Prüfung der Minderjährigkeit in Dublin-Verfahren:
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dürfen regelmäßig nicht in einen anderen Staat überstellt werden. Deswegen habe die Behörden dem Vortrag der Minderjährigkeit nachzugehen, auch wenn der Betroffene zu seinem Alter widersprüchlich vorträgt (VG Berlin, Beschl. v. 22.07.2014 - VG 33 L 269.14 A).
BGH zur erforderlichen Abschiebungsprognose für die Abschiebungshaft
Abschiebungshaft darf nur solange aufrecht erhalten werden, als die schlüssige Prognose, dass der Ausländer in dem beschlossenen Zeitraum abgeschoben werden kann, noch gerechtfertigt ist. Stellt sich heraus, dass die Prognose nicht mehr gerechtfertigt ist, ist die Haft zu beenden. Sie darf auch nicht aufrecht erhaltenbleiben, um nach Ablauf des bisher beschlossenen Zeitraums einen Verlängerungsantrag zu stellen. Wenn eine neue Prognose die Haft rechtfertigt, muss der Verlängerungsantrag daher sofort gestellt werden (BGH, Beschl. v. 10.04.2014 - V ZB 110/13).
EGMR: Auslieferung von Terrorverdächtigen nach Russland nicht zulässig
Der EGMR hat wiederholt entschieden, dass die russischen Strafverfolgungsbehörden sowie die russische Justiz nicht ohne die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen im Sinne von Art 3 EMRK (Folter, unmenschliche Behandlung oder erniedrigende Behandlung) Strafverfolgung betreiben. Deswegen untersagt der EGMR dem Staat Bulgarien, einen in Deutschland anerkannten tschetschenischen Flüchtling nach Russland auszuliefern (EGMR, Urt. v. 25.03.2014 - 59297/12 ("M.G. vs. Bulgarien").
VG Cottbus zur Familieneinheit in Dublin-Verfahren:
Eine tschetschenische Familie kommt fluchtbedingt getrennt über Polen nach Deutschland und stellt Asylantrag. Grundsätzlich sehen die Dublin-Regelungen vor, dass das Asylverfahren in Polen durchgeführt wird. Deutschland hat Polen um Wiederaufnahme zu bitten, Polen hat dem zuzustimmen und Deutschland hat die Überstellung binnen sechs Monaten ab Zustimmung durchzuführen. Nun passiert folgendes: Deutschland kann die Überstellungsfrist wegen eines stationären Krankenhausaufenthalts des zuerst eingereisten Familienangehörigen nicht einhalten und übernimmt die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens. Das Bundesamt meint aber, die später eingereisten Famileinangehörigen (Frau und Kinder) dennoch nach Polen zurückschicken zu dürfen. Dem tritt das VG Cottbus entgegen: Die Familieneinheit ist zu wahren, insbesondere bei besonderer Schutzbedürftigkeit eines Familienangehörigen und deswegen erforderlichem Beistand der anderen Familienangehörigen (VG Cottbus, Beschl. v. 17.02.2014 - VG 3 L 315/13.A).
LG Frankfurt/Oder: Abschiebungsprognose muss auch noch im Beschwerdeverfahren vorliegen
Abschiebungshaft muss erforderlich sein. Das ist sie nicht, wenn die Prognose der Abschiebung nicht mehr möglich ist (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 27.01.2014 - 15 T 5/14).
LG Berlin zur einstweiligen Haftanordnung in Abschiebungshaftsachen:
Ob eine einstweilige Haftanordnung, die auf sechs Wochen berenzt ist, verlängerbar ist, wird vom LG Berlin zurecht bezweifelt. Jedenfalls muss, wenn alle Voraussetzungen nun vorliegen, sofort ein Hauptsacheantrag gestellt werden, denn andernfalls wird dem Betroffenen wegen des Ausschlusses der Rechtsbeschwerde im einstweiligen Haftanordnungsverfahren die Möglichkeit genommen, die Haft letztinstanzlich vom BGH prüfen zu lassen (LG Berlin, Beschl. v. 16.01.2014 - 84 T 11/14 B). Die Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung. Der BGH nimmt die Freiheitsrechte betroffener Ausländer sehr ernst. Einige Ausländerbehörden, Bundespolizeidirektionen und untere Gerichte versuchen den BGH aus dem Verfahren herauszuhalten, indem "sehr großzügig" einstweilige Haftanordnungen beschlossen werden.
LG Frankfurt/Oder zur Abschiebungsprognose in Dublin-Verfahren:
Eine einstweilige Haftanordnung gemäß § 427 FamFG ist nur zulässig, wenn noch nicht alle Informationen zur Verfügung stehen, die eine Abschiebungsprognose begründen können (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 16.01.2014 - 15 T 2/14).
LG Frankfurt/Oder zum Nachschieben von Haftgründen:
Abschiebungshaft setzt voraus, dass ein Haftgrund vorliegt. § 62 AufenthG enthält mehrere Haftgründe, zu denen die Ausländerbehörde im Haftantrag vorzutragen hat. Beschließt das Amtsgericht die Abschiebungshaft auf Grund eines Haftgrundes, der tatsächlich gar nicht vorlag, so kann die Behörde nicht einen - bislang nicht vorgetragenen - anderen Haftgrund nachschieben, um damit die Rechtmäßigkeit der Haft zu "retten" (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 30.12.2013 - 15 T 148/13). Materielle Haftmängel sind nicht heilbar. Die Entscheidung zeigt wieder einmal, wie schlampig Behörden und Haftrichter mitunter mit den Freitheitsrechten von Ausländern umgehen.
VG Arnsberg: Hohe Kindersterblichkeit in Angola rechtfertigt Abschiebungsverbot
Die Gesundheitsversorgung in Angola ist katastrophal. Deswegen hat Angola weltweit einer der höchsten Kindersterblichkeit. Dieses rechtfertigt die Feststellung eines Abschiebungsverbots für einen sechsjährigen Jungen wegen einer Gefahr für Leib und Leben (VG Arnsberg, Urt. v. 20.12.2013 - 2 K 3889/13.A).
LG Berlin zur Fluchtgefahr in Abschiebungshaftsachen:
Abschiebungshaft setzt eine Fluchtgefahr voraus. Ob eine solche vorliegt, müssen die Ausländerbehörden und die Haftgerichte sehr sorgfältig prüfen. Das muss das Landgericht Berlin den Behörden ins Stammbuch schreiben (LG Berlin, Beschl. v. 18.12.2013 - 84 T 162/13 B).
LG Görlitz zur einstweiligen Haftanordnung in Abschiebungshaftsachen:
Manchmal kommt es vor, dass es der Ausländerbehörde aus Gründen, die der Ausländer zu vertreten hat, nicht möglich ist, im Haftantrag alles erforderliche vorzutragen. Dann darf die Behörde eine einstweilige Haftanordnung beantragen, bis der Vortrag aller Haftvoraussetzungen möglich ist und - was selbstverständlich ist - alle anderen vorgetragenen Haftvoraussetzungen vorliegen, insbesondere eine Fluchtgefahr vorliegt. Die einstweilige Haftanordnung darf nicht länger als sechs Wochen laufen. Gegen einstweilige Haftanordnungen ist zwar die Beschwerde möglich, anders als im Hauptsacheverfahren nicht aber die Rechtsbeschwerde zum BGH. Hat die Ausländerbehörde alle Informationen, um einen Hauptsacheantrag zu stellen, muss sie dies tun. Eine einstweilige Haftanordnung ist dann unzulässig, weil dem Betroffenen gemäß dem FamFG dann die Rechtsbeschwerdemöglichkeit genommen wird (LG Görlitz, Beschl. v. 03.12.2013 - 4 T 63/13).
AG Düsseldorf zum gesetzlichen Richter in Abschiebungshaftsachen
Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG bestimmt: Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Das ist ein Grundrecht. Niemals sollen die Behörden sich aussuchen dürfen, vor welchem Richter sie ein Verfahren anhängig machen. In der Praxis des Abschiebungshaftrechts ist das leider anders, was mit einer vollständig unklaren Rechtslage aufgrund widersprüchlicher Vorschriften in § 106 Abs. 2 AufenthG und § 416 FamFG zusammenhängt. Immerhin: das AG Düsseldorf sieht, dass nicht das Gericht an dem Ort zuständig ist, an dem der Betroffene sich gerade befindet, sondern an dem Ort, wo er seinen gewöhnlichen Wohnort hat (AG Düsseldorf, Beschl. v. 16.10.2013 - 152 XIV 43/13).
VG Berlin zur Familienfehde in Afghanistan:
Für Westeuropäer nicht verständlich: Wer in Afghanistan in den Strudel familiärer Fehden gelangt, hat häufig nur die Chance, das Land zu verlassen. Im vorliegenden Fall ging es um einen tödlichen Erbschaftstreit. Das VG Berlin hat zurecht gesehen, dass der Kläger keine Möglichkeit hatte, in Afghanistan zu bleiben (VG Berlin, Urt. v. 02.10.2013 - 9 K 6.13.A).
AG Tiergarten: Haftantrag muss Abschiebungsprognose enthalten
Manchmal ist man auch als Anwalt peinlich berührt: Abschiebungshaft dient der Sicherung der Abschiebung und hat keine anderen Zwecke. Der BGH hat mehrfach entschieden, dass die Ausländerbehörde deswegen eine Prognose im Haftantrag darzulegen hat, wann denn die Abschiebung erfolgen kann. Auch das LG Berlin hatte dieses inzwischen mehrfach entschieden. In dem vom AG Tiergarten entschiedenen Fall hatte die Berliner Ausländerbehörde rein gar nichts dazu vorgetragen (AG Tiergarten, Beschl. v. 20.09.2013 - 385 XIV 136/13 B).
AG Fürstenwalde zur Zulässigkeit einer einstweiligen Haftanordnung:
Kann die Ausländerbehörde die Haftvoraussetzungen nicht vollständig vortragen, darf sie eine einstweilige Haftanordnung gemäß § 427 FamFG beantragen. Ist der Zielstaat der Abschiebung - im Dublin-Verfahren - noch nicht bekannt, hat die Behörde maximal fünf Tage Zeit, diesen zu ermitteln. Danach wird die einstweilige Haftanordnung unzulässig (AG Fürstenwalde, Beschl. v. 14.08.2013 - 23 XIV 27/13 B).
AG Eisenhüttenstadt: Keine Abschiebungshaftspezialisten in Eisenhüttenstadt
In Eisenhüttenstadt befindet sich eine Abschiebungshaftanstalt, in denen Einsitzende hin und wieder rechtliche Vertretung benötigen. Nachdem der Fall gewonnen wurde, beantragte ich auch die Festsetzung der Fahrtkosten zum Gericht. Dem widersetzte sich die Bundespolizei. Zutreffend hat das AG Eisenhüttenstadt entschieden, dass Abschiebungshaftrecht Spezialmaterie ist und in Eisenhüttenstadt keine Anwälte niedergelassen sind, die dieses Rechtsgebiet nachhaltig bearbeiten (AG Eisenhüttenstadt, Beschl. v. 24.07.2013 - 23 XIV 23/13).
LG Berlin zur erforderlichen Abschiebungsprognose in Abschiebungshaftsachen
Eine Abschiebungshaft darf nur beschlossen werden, wenn von der Ausländerbehörde eine schlüssige Prognose dazu im Haftantrag dargelegt wird, wann die Abschiebung möglich ist. Eine Haft "auf Vorrat" ist nicht zulässig. Sehr großzügig hat das LG Berlin hier im laufenden Haftverfahren die Ausländerbehörde dazu nachbessern lassen. Die war aber immer noch nicht in der Lage, präzise vorzutragen (LG Berlin, Beschl. v. 24.07.2013 - 84 T 103/13)
LG Dresden zur Aushändigung eines Haftantrags
Bevor ein Haftrichter über einen Antrag zur Inhaftierung zur Sicherung der Absciebung entscheidet, muss dem Betroffenen der schriftliche Haftantrag ausgehändigt und übersetzt werden. Das hat der BGH mehrfach entschieden. Der Grund dafür ist einfach: Der Betroffene hat die Möglichkeit, sich sachgerechter zu verteidigen, wenn er die Gründe in schriftlicher Form vor sich hat. In Sachsen muss das LG Dresden wiederholt daran erinnern (LG Dresden, Beschl. v. 18.07.2013 - 2 T 459/13). Ganz nebenbei: Das Landgericht sieht auch erhebliche Probleme im Asylverfahren in Ungarn. Dorthin sollte der Betroffene zum Zweck der Durchführung des Asylverfahrens überstellt werden.
VG Potsdam zu Kosten für Privatgutachten:
In vielen gerichtlichen Asylverfahren hängt die Entscheidung von der Glaubhaftigkeit der Angaben der Asylsuchenden ab. Wenn das Aussageverhalten durch Traumatisierungen beeinträchtigt ist, dann ist eine fachpsychiatrische Begutachtung erforderlich. Versagt das Verwaltungsgericht die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens und wird ein Privatgutachten vorgelegt, welches dazu führt, dass die Angaben glaubhaft erscheinen, dann muss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch die Kosten dafür tragen (VG Potsdam, Beschl. v. 04.07.2013 - VG 6 K 2212/11.A).
Sozialgericht Berlin gewährt ungekürzte Leistungen für Geduldete im Eilrechtsschutzverfahren:
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2012 entschieden, dass die bisherigen Asylbewerberleistungen das erforderliche Existenzminimum nicht erreichen und eine Anhebung verlangt. Da diese bis heute nicht erfolgt ist, verpflichtet das Sozialgericht das zuständige Sozialamt Lichtenberg im einstweiligen Rechtsschutz zur Zahlung der vollen Leistungen trotz des - allerdings in der Sache unzutreffenden - Vorwurfs fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung (SozG Berlin, Beschl. v. 25.04.2013 - S 184 AY 24/13 ER).
LG Frankfurt/Oder zum ordnungsgemäßen Haftantrag bei Zurückschiebungshaft:
Wiederholt gelingt es der Bundespolizei nicht, ordnungsgemäße Haftanträge zu stellen. Auch in Fällen der Einreise eines Asylsuchenden aus einem - vermeintlich sicheren - Drittstaat (hier: Polen oder Litauen) muss die antragstellende Behörde schon im Haftantrag darlegen, wohin denn innerhalb welchen Verfahrens zurückgeschoben werden soll. Die Zulässigkeit von Ab- oder Zurückschiebungshaft verlangt, dass genau dargelegt wird, wie lange diese erforderlich ist (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 24.04.2013 - 15 T 30/13).
LG Frankfurt/Oder zum ordnungsgemäßen Haftantrag bei Abschiebungshaft:
Der BGH hat mehrfach entschieden, dass für die Inhaftierung zur Sicherung der Abschiebung ein ordnungsgemäßer Haftantrag der Behörde vorliegen muss und der Betroffene dazu die Möglichkeit haben muss, dazu Stellung zu nehmen. Die Bundespolizei ist offenkundig nicht in der Lage, derartige Anträge zu stellen (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 11.04.2013 - 15 T 28/13).
OVG Berlin-Brandenburg zum "atypischen Fall" beim Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung für die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis:
Die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis setzt "in der Regel" voraus, dass der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von SGB-II- oder SGB-XII-Leistungen gesichert ist, sofern nicht bestimmte Aufenthaltstitel davon generell absehen. Auch in "atypischen Fällen" ist von dem Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung abzusehen. Das kann der Fall sein, wenn Art. 8 EMRK (Recht auf Familie oder Recht auf Privatleben) nicht anders als durch den Verbleib im Bundesgebiet gewahrt werden kann. Das OVG Berlin-Brandenburg stoppt eine Aufenthaltsbeendigung eines türkischen Staatsangehörigen, der seit 20 Jahren im Bundesgebiet lebt, pflegebedürftig ist und deswegen den Lebensunterhalt nicht selbst sicherstellen kann. Seine ihn pflegende Ehefrau war ebenfalls nicht in der Lage, den Lebensunterhalt der Familie vollständig sicherzustellen. Zudem war ein Kind im Bundesgebit geboren (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.03.2013 - OVG 7 S 13.13).
VG Potsdam zur Lage alleinerziehender Frauen in Afghanistan:
Die Lage der Frauen in Afghanistan ist prekär. Besonders schwierig ist die Situation für alleinerziehende Frauen. Das Verwaltungsgericht Potsdam spricht deswegen im Einzelfall den Flüchtlingsschutz zu (VG Potsdam, Urteil v. 18.03.2013 - VG 6 K 1324/11.A).
LG Neuruppin: Pflichtverteidigung für Asylbewerber wegen unerlaubter Einreise
Asylbewerber sind aus Verfolgungsgründen häufig auf illegale Einreisemethoden angewiesen. Ein Visumsverfahren für Flüchtlinge gibt es nicht. Selbst wenn es das gäbe, können Verfolgte nicht wochen- oder monatelang auf die Erteilung des Visums warten. Die Verfolger sind regelmäßig schneller. Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention läßt Flüchtlinge deshalb straffrei. Ob das auch für die im Zusammenhang mit der Einreise mittels gefälschter Pässe begangene Urkundenfälschung gilt, ist streitig. Weil das eine schwierige Rechtsfrage ist, ist eine Pflichtverteidigung geboten (LG Neuruppin, Beschl. v. 20.11.2012 - 13 Qs 172/12).
VG Potsdam zu Yeziden aus dem Irak:
Yeziden aus dem Irak unterliegen keiner generellen Verfolgung, nur weil sie Yeziden sind. Das kann im Hinblick auf die aktuellen religiösen Verfolgungen im Irak - zumindest lokal - bezweifelt werden. Immerhin: Das Verwaltungsgericht Potsdam sieht für vermögenslose geflohene Yeziden keine Wiederansiedelungsmöglichkeit und nimmt deswegen ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs.7 S.1 AufenthG an (VG Potsdam, Urt. v. 09.11.2012 - 6 K 721/11.A).
9. Kammer des VG Karlsruhe zur Rechtsgrundlage für Botschaftsvorführungen:
Selbst innerhalb eines Gerichts kann Rechtsanwendung unterschiedlich sein: Während die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Zweifel hat, ob für Botschaftsvorführungen abgelehnter Asylbewerber § 15 AsylVfG überhaupt anwendbar ist, läßt die 9. Kammer diese Frage offen. Aber: Auch die 9. Kammer setzt voraus, dass für Botschaftsvorführungen "bloße Spekulationen" der Behörden, der Betroffene könne aus dem Staat kommen, vor dessen Botschaft er vorgeführt werden soll, nicht ausreichen (VG Karlsruhe, Beschl. v. 13.08.2012 - 9 K 1836/12).
VG Meiningen zur Flüchtlingseigenschaft alleinstehender Frauen in Afghanistan:
Das Verwaltungsgericht Meiningen erkennt alleinstehende Frauen aus Afghanistan als Flüchtling an. Frauen ohne den Schutz der Familie unterliegen dort der Gefahr gravierender Menschenrechtsverletzungen, die geschlechtsspezifisch sind (VG Meiningen, Urt. v. 09.08.2012 - 8 K 20101/11 Me).
VG Meiningen zu Abschiebungsverbot wegen einer Gefahr für Leib und Leben in Afghanistan:
Die Lage in Afghanistan, auch in Kabul, ist derart desolat, dass jedenfalls für alte und kranke Flüchtlinge ein Überleben oberhalb des Existenzminimums nicht möglich ist und deswegen ein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG festzustellen ist (VG Meiningen, Urt. v. 09.08.2012 - 8 K 20146/11 Me).
VG Berlin zur Passbeschaffung bei festgestelltem nationalem Schutz trotz laufendem Asylverfahren:
Mitunter passiert folgendes: Ein Flüchtling beantragt die Flüchtlingsanerkennung gemäß § 60 Abs.1 AufenthG, bekommt aber nur nationalen Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs.7 S.1 AufenthG. Nun klagt er auf die Flüchtlingsanerkennung beim Verwaltungsgericht, was häufig dauert. Wegen der Gewährung des nationalen Abschiebungsverbots beantragt er bei der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs.3 AufenthG, die ihm auch ohne Nationalpass zusteht. Die Ausländerbehörde lehnt das ab, weil kein Pass beschafft wurde. Der Flüchtling sagt, er könne ja wohl nicht zur Botschaft des Staates gehen, der ihn verfolgt oder ihn vor Verfolgung nicht schützt. Die Behörde bleibt stur. Auf die Untätigkeitsklage gibt die Behörde dann nach. Das VG Berlin legt bei der anschließenden Kostenentscheidung die Kosten der Ausländerbehörde auf, weil für eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis kein Grund bestanden habe (VG Berlin, Beschl. v. 01.08.2012 - VG 27 K 94.12).
VG Cottbus zur Lage der Yeziden in Irak:
Yeziden sind eine religiöse Minderheit, die u.a. in den nordirakischen Gebieten leben. Leider werden sie dort aus religiösen und ethnischen Gründen verfolgt. Das erkennt auch das Verwaltungsgericht Cottbus und spricht deswegen den Flüchtlingsschutz nach tatsächlicher Verfolgung im Einzelfall zu (VG Cottbus, Urt. v. 13.07.2012 - VG 7 K 122/11.A).
3. Kammer des VG Karlsruhe zur Rechtsgrundlage für Botschaftsvorführungen:
Streitig ist, auf welcher Rechtsgrundlage abgelehnte Asylbewerber der Botschaft zur Identitätsklärung und Passbeschaffung vorgeführt werden dürfen. Das VG Karlsruhe hat erhebliche Zweifel, ob für abgelehnte Asylbewerber Botschaftsvorführungen auf § 15 AsylVfG gestützt werden dürfen. Weil Rechtsmittel gegen eine Vorführung nach dem Aufenthaltsgesetz aufschiebende Wirkung haben, stellt das Gericht fest, dass der eingelegte Widerspruch aufschiebende Wirkung hat (VG Karlsruhe, Beschl. v. 09.07.2012 - 3 K 1489/12).
Kammergericht Berlin zur Strafbarkeit unerlaubten Aufenthalts:
Das Kammergericht Berlin verlangt für eine Bestrafung unerlaubten Aufenthalts eine vorherige vollständige Durchführung des Verfahrens zur Rückführung nach der Rückführungsrichtlinie. Erst wenn bei vollständiger Einhaltung des Verfahrens der Betroffene untertaucht, kommt eine Strafbarkeit gemäß §§ 95 Abs.1 Nr.2, 4 Abs.1 S.1 AufenthG ("unerlaubter Aufenthalt") in Betracht (KG Berlin, Beschl. v. 26.03.2012 - (4) 1 Ss 393/11 (20/12)).
BGH zu Verfahrensfehlern bei Abschiebungshaft (mit Anmerkung):
Gleich mehrere Fragen beantwortet der BGH zum Verfahren bei Abschiebungshaft: Für den Verfahrenskostenhilfeantrag kann der Betroffene sich grundsätzlich auch auf unveränderte wirtschaftliche Verhältnisse nach seiner Abschiebung berufen. War die Freiheitsentziehung nur für einen bestimmten Zeitraum rechtswidrig, muss das Haftgericht dieses auch ohne ausdrücklichen Antrag feststellen. Zuvor hatte der BGH im gleichen Verfahren entschieden, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, dass auf einen isolierten Verfahrenskostenhilfeantrag eines nicht beim BGH zugelassenen Rechtsanwalts die sofortige Vollziehung aufgehoben werden kann. Das bedeutet, dass auch ein nicht beim BGH zugelassener Rechtsanwalt in der Rechtsbeschwerde beim BGH die Haftentlassung erreichen kann, wenn die Haft offenkundig rechtswidrig ist (BGH, Beschl. v. 29.09.2011 - V ZB 173/11). In der Praxis hat sich im Nachhinein inzwischen gezeigt, dass der BGH bei sog. isolierten Verfahrenskostenhilfeanträgen in Verbindung mit Aussetzungsanträgen sehr schnell Verfahrenskostenhilfe zur Beiordung eines beim BGH zugelassenen Rechtsanwalts bewilligt, um dem Problem auszuweichen.
OVG Berlin-Brandenburg zur Identitätsklärung und zu den Mitwirkungspflichten von Staatsangehörigen Bhutans:
Wird ein Asylantrag abgelehnt, muss der Asylsuchende grundsätzlich Deutschland verlassen und sich dazu die erforderlichen Reisedokumente selbst beschaffen. Das ist bei Flüchtlingen aus Bhutan schwierig, denn Bhutan hat im Bundesgebiet keine Botschaft. Zudem deutet einiges daraufhin, dass das Königreich Bhutan ihren Untertanen, die das Land verlassen, um woanders um Asyl nachzusuchen, wegen illoyalen Verhaltens sogar die Staatsangehörigkeit entzieht. Das ist allgemein bekannt, weswegen es immer wieder dazu kommt, dass nepalesische Staatsangehörige sich als solche aus Bhutan ausgeben, andererseits aber auch deutsche Behördenmitarbeiter schlicht behaupten, die angeblich aus Bhutan stammenden Flüchtlinge kämen ja gar nicht von dort, sondern aus Nepal. So einfach geht es nicht, entscheidet das OVG Berlin-Brandenburg zu Recht. Wenn der Betroffene seinerseits bei bekannten Passbeschaffungsproblemen alles in seiner Macht unternehme, z.B. wie hier einen alten Militärausweis und eine Heiratsurkunde (beides aus Bhutan) vorlege, dann müsse die Behörde schon explizit darlegen, was denn noch unternommen werden könne, um ein Reisedokument zu erhalten. Tut sie dies nicht, dürfe sie dem Betroffenen auch nicht die Verletzung von Mitwirkungspflichten vorwerfen und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG versagen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 01.06.2011 - OVG 2 S 4.11).
BGH zur Zuständigkeit der Bundespolizei in Zurückschiebungshaftsachen:
Die Bundespolizei (früher Bundesgrenzschutz) hat eigentlich die Aufgabe, die Grenzen zu sichern. Ihr Zuständigkeitsbereich endet in einer Entfernung von 30 km von der Grenze. Im Hinblick auf den Abbau der Binnengrenzen im Schengenraum kann diese Aufgabe eigentlich nur noch an den Außengrenzen (Flughäfen, Überseehäfen) wahrgenommen werden. Tatsächlich finden im Hinterland der Binnengrenzen allerdings regelmäßig mehr als nur stichprobenartige Kontrollen von Menschen statt, die - nach der Vorstellungswelt der Bundespolizisten - nicht "typisch Deutsch" aussehen. Der BGH hat die Zuständigkeit der Bundespolizei für derartige Kontrollen begrenzt auf die Kontrollen von Personen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Grenzüberschreitung aufgegriffen werden. Wer bereits den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei verlassen hatte, für den ist diese auch nicht mehr zuständig, selbst wenn die Person wieder in den Grenzraum zurückkehrt (BGH, Beschl. v. 18.04.2011 - V ZB 239/10). Leider hat der Gesetzgeber diese Entscheidung zum Anlaß genommen, die Zuständigkeit der Bundespolizei wieder zu erweitern auf alle Personen, die innerhalb der 30-km-Zone aufgegriffen werden. Ich habe Zweifel, ob das verfassungsrechtlich mit der Beschränkung der Tätigkeit der Bundespolizei vereinbar ist.
AG Tiergarten zur Strafbarkeit der Urkundenfälschung bei Einreise von Flüchtlingen mit gefälschten Papieren:
Flüchtlinge können, wenn sie im Herkunftsland verfolgt werden, regelmäßig nicht auf die Ausstellung von Pässen durch den Verfolgerstaat sowie von Visa des Aufnahmestaates warten. Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention bestimmt deshalb, dass die unerlaubte Einreise von anerkannten Flüchtlingen straflos ist. Das gilt auch für die Einreise mit gefälschten Papieren (AG Tiergarten, Urt. v. 15.04.2011 - 405 Ds 215/10).
Landgericht Berlin zum Entziehungsverdacht bei Abschiebungshaft:
Ein fehlender fester Wohnsitz und fehlende soziale Bindungen sind für sich alleine kein Grund für die Annahme eines Entziehungsverdachts (LG Berlin, Beschl. v. 10.01.2011 - 84 T 226/10 B).
Landgericht Frankfurt/Oder zur Frage der Haftfähigkeit bei Abschiebungshaft:
In Abschiebungshaft werden häufig Flüchtlinge genommen, wenn sie im unzuständigen Staat Asyl beantragen. Ein Gefängnis ist für Flüchtlinge ein denkbar ungeeigneter Ort, um ein schweres Flüchtlingsschicksal nur ansatzweise zu verarbeiten. Das sieht auch das Landgericht Frankfurt/Oder so. Bestehen Hinweise auf eine schwere psychische Erkrankung, muss die Ausländerbehörde dieses im Hinblick auf eine Haftfähigkeit aufklären. Tut sie das nicht und kann das Gericht dieses auch nicht mehr aufklären, weil der Flüchtling inzwischen in den zuständigen Staat zurückgeschoben wurde, war die Haft rechtwidrig (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 21.12.2010 - 15 T 83/09).
Brandenburgisches OLG zur Fluchtgefahr bei freiwilliger Vorsprache bei der Ausländerbehörde:
Häufiger passiert folgendes: Ein Flüchtling ohne Pass und Aufenthaltserlaubnis will sich bei der Ausländerbehörde melden, um Asyl zu beantragen. Direkt vor der Behörde wird er fest und in Abschiebungshaft genommen, weil er keine Papiere hat. Das geht so einfach nicht, sagt das Brandenburgische OLG. Die freiwillige Vorsprahe bei einer Behörde zur Regelung des Aufenthalts ist jedenfalls ein erheblicher Gesichtspunkt, der einen Entziehungsverdacht gemäß § 62 AufenthG entfallen lassen kann (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 02.12.2010 - 12 Wx 30/09).
Amtsgericht Tiergarten zum Beschleunigungsgebot in Abschiebungshaftsachen:
Auch in Dublin-Fällen muss das Beschleunigungsgebot beachtet werden. Eine Zurückschiebungshaft ist dann rechtswidrig, wenn die Behörden ein Ersuchen auf Rückübernahme des Asylsuchenden gegenüber dem zuständigen Staat nicht schnell genug stellen (AG Tiergarten, Beschl. v. 23.11.2010 - 380 XIV 309/10 B).
LG Frankfurt/Oder zum Beschleunigungsgebot in Abschiebungshaftsachen.
Nichtstun der Ausländerbehörde rechtfertigt es nicht, den Betroffenen in Abschiebungshaft zu halten (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 21.10.2010 - 15 T 113/10).
AG Tiergarten zur Kostenerstattung in Abschiebungshaftsachen
Abschiebungshaft ist kompliziert und deswegen die Vertretung aufwändig. Und es ist für die Betroffenen bedeutsam, denn es wird ihnen die Freiheit entzogen. Jemanden einzusperren ist einer der schärfsten Eingriffe, die ein Staat gegen seine Bürger vornehmen darf. Deswegen ist gute Vertretung "teuer". Das meint aber nicht der Gesetzgeber, der die Vertretung in Abschiebungshaftsachen mit einer Mittelgebühr von 185,- € honoriert. Nochmals die gleiche Summe kommt bei einer Wahrnehmung eines Anhörungstermins durch den Anwalt hinzu. Wirtschaftlich vertretbar ist das nicht, wenn die Kanzleikosten (Büromiete, Personal, Technik) getragen werden müssen. Richtig entscheidet das AG Tiergarten: Die Erhöhung der Mittelgebühr um 20 % in Abschiebungshaftsachen bei der Kostenerstattung ist nicht unbillig (AG Tiergarten, Beschl. v. 26.08.2010 - 381 XIV 51/10 B).
Brandenburgisches OLG zur Rechtsgrundlage für Festnahmen durch die Polizei:
Bislang wurde Asylsuchende, die unerlaubt eingereist sind, auf der Grundlage des Polizei- und Ordnungsrechts "zur Unterbindung der Straftat des unerlaubten Aufenthalts" in Abschiebungshaft genommen. Unabhängig davon, dass die Inhaftierung den Aufenthalt nicht erlaubt machen würde, stellt sich das als Umgehung des Aufenthaltsgesetzes dar. Dieses hat abschließende Regelungen zur Zulässigkeit der Abschiebungshaft. Eine Inhaftierung auf der Grundlage des BPolG ist jedenfalls nicht zulässig (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 01.06.2010 - 11 Wx 7/10).
VG Frankfurt/Oder: Asylanhörung ohne Anwalt ist rechtswidrig
Beauftragt ein Asylbewerber einen Rechtsanwalt und meldet dieser sich ordnungsgemäß im Asylverfahren bei der Behörde, darf der Asylantrag nicht als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt werden, wenn der Anwalt nicht zur Anhörung geladen wurde. Deswegen stellt das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder die aufschiebende Wirkung der Asylklage gegen den Ablehnungsbescheid her (VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 07.05.2010 - 4 L 123/10.A).
BGH verpflichtet die Behörden zur ordnungsgemäßen Begründung eines Haftantrags zur Sicherung der Abschiebung:
Haftanträge von Ausländerbehörden gaben früher nur den Gesetzestext wieder. So geht es nicht, sagt der BGH. Die Behörden müssen bei den Haftrichtern einen ordnungsgemäßen und begründeten Haftantrag vorlegen. Dieser muss dem Betroffenen in der Anhörung auch vorgelesen und übersetzt werden. Geschieht das nicht, ist die Abschiebungshaft rechtswidrig (BGH, Beschl. v. 29.04.2010 - V ZB 218/09).
Landgericht Frankfurt/Oder zur Entziehungsabsicht bei Ausreisebereitschaft:
Abschiebungshaft setzt voraus, dass ein Entziehungsverdacht besteht. Will der Betroffene in das Land ausreisen, in das er abgeschoben werden soll, besteht ein solcher Verdacht nicht. Es ist immer wieder erstaunlich, welche absurde Maßnahmen ergriffen werden: Eine Asylbewerberin, die in Frankreich ihr Asylverfahren betreibt, wird auf der Durchreise durch Deutschland für mehrere Tage an der Rückkehr nach Frankreich gehindert, in dem sie auf Kosten des Steuerzahlers in Abschiebungshaft genommen wird (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 24.02.2010 - 15 T 82/09).
Landgericht Frankfurt/Oder zum Minderjährigenschutz bei Abschiebungshaft:
Steht die Minderjährigkeit des Betroffenen in Streit, hat die Behörde das Alter vor Stellung des Haftantrags durch Einholung eines Adoleszensgutachtens aufzuklären. Geschieht dies nicht, ist der Haftantrag zurückzuweisen (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 11.01.2010 - 15 T 96/09).
Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder stoppt Zurückschiebung eines Asylsuchenden nach Griechenland:
Auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Oder ist aktuell eine Zurückschiebung nach Griechenland im Rahmen der Dublin II-Verordnung unzulässig, weil erhebliche Zweifel an der Schutzfähigkeit des griechischen Asylsystems bestehen (VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 06.01.2010 - VG 7 L 319/09.A).
Landgericht Berlin zum Minderjährigenschutz bei Abschiebungshaft:
Im Zweifel für die Minderjährigkeit: Läßt sicher nicht mit Gewißheit klären, ob ein von Abschiebungshaft bedrohter Ausländer minderjähig ist, ist Abschiebungshaft unzulässig, wenn nicht ein milderes Mittel geprüft wird (LG Berlin, Beschl. v. 17.12.2009 - 84 T 483/09 B).
Verwaltungsgericht Berlin stoppt Zurückschiebung eines Asylsuchenden nach Griechenland:
Das Verwaltungsgericht Berlin hat Zweifel an der Schutzfähigkeit des griechischen Asylsystems und stoppt die Zurückschiebung eines Asylsuchenden im Rahmen der Dublin II-Verordnung nach dort (VG Berlin, Beschl. v. 22.10.2009 - VG 33 L 225.09 A).
Landgericht Frankfurt/Oder zum Minderjährigenschutz bei Abschiebungshaft:
In einer weiteren Entscheidung hat das LG Frankfurt/Oder den Schutz von Minderjährigen in Haftsachen verstärkt. Die Betroffene war 16 Jahre alt und zusammen mit ihrer Mutter eingesperrt worden. Weil sie von ihrer Mutter nicht getrennt werden wollte, hat sie freiwillig der Freiheitsentziehung zugestimmt. So geht es nicht, sagt das Landgericht: Haft gegen Minderjährige ist und bleibt unverhältnismäßig. Da ändert auch eine freiwillige Zustimmung nichts (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 28.10.2009 - 15 T 121/09).
Landgericht Frankfurt/Oder zum Minderjährigenschutz bei Abschiebungshaft:
Minderjährige stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Daher müssen die Ausländerbehörden prüfen, ob es mildere Mittel gibt als einen Minderjährigen in Abschiebungshaft zu nehmen. Tun sie das nicht, ist die Haft unverhältnismäßig (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 22.07.2009 - 15 T 81/09).
Landgericht Berlin zur vorherigen richterlichen Anhörung bei einer geplanten Festnahme zur Abschiebung:
Will die Ausländerbehörde einen vollziehbaren Ausländer in Abschiebungshaft nehmen lassen, um die Abschiebung zu sichern, setzt das die Einholung eines vorherigen richterlichen Beschlusses voraus. Das gebietet das Grundgesetz. Der Haftrichter hat den Betroffenen vor Erlass des Beschlusses anzuhören, es sei denn es liegt "Gefahr im Verzug" vor, dass der Betroffene sich der Anhörung entziehen wird. Dazu muss aber von der Behörde im Haftantrag etwas vorgetragen werden (LG Berlin, Beschl. v. 02.07.2009 - 84 T 210/08 B).
Brandenburgisches OLG zur Zurückschiebungshaft in Dublin II-Fällen:
In einem weiteren Beschluß hat das Brandenburgische OLG entschieden, dass das Haftgericht auch in sog. Dublin II-Fällen im Rahmen einer gebotenen Anhörung prüfen muss, ob der Betroffene sich der Zurückschiebung entziehen wird (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 11.05.2009 - 11 Wx 12/09).
Brandenburgisches OLG zur Zurückschiebungshaft in Dublin II-Fällen:
Auch in Fällen einer Zurückschiebung eines Asylsuchenden gemäß der Dublin II-VO in den zuständigen Staat darf nicht automatisch Zurückschiebungshaft beschlossen werden. Alleine die unerlaubte Einreise ohne Papiere rechtfertigt noch nicht die Annahme eines Entziehungsverdachts. Außerdem: Das Haftgericht muss die Ausländerakten beiziehen und dem Betroffenen nachteilige Tatsachen vorhalten, damit er sich dazu äußern kann (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 05.05.2009 - 11 Wx 24/09).
AG Tiergarten zur Verhältnismäßigkeit von Abschiebungshaft bei Verlöbnis und Krankheit:
Wie das Landgericht Neuruppin hat auch das AG Tiergarten zu Recht Bedenken, ausreisepflichtige Verlobte deutscher Statsangehöriger vorschnell in Abschiebungshaft zu nehmen. Ist der Verlobte krank, ist Haft jedenfalls unverhältnismäßig (AG Tiergarten, Beschl. v. 24.10.2008 - 380 XIV 91/08).
KG Berlin zur Vorführungshaft:
Sind Botschaftsvorführungen zur Identifizierung und Passbeschaffung mit Freiheitsentziehungen verbunden, bedarf es in diesem Falle eines richterlichen Haftbeschlusses (KG Berlin, Beschl. v. 30.09.2008 - 1 W 349/07).
LG Frankfurt/Oder zur Abschiebungshaft bei rechtswidriger Festnahme:
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont, dass eine Freiheitsentziehung grundsätzlich einen vorherigen richterlichen Haftbeschluss erfordert. Vielfach wird aber entschieden, dass Verfahrensfehler für die zukünftige Haft heilbar sind. Das Landgericht Frankfurt/Oder sagt, dass es so nicht geht. Bei erheblichen Verfahrensfehlern ist nicht nur die bisherige, sondern auch die anschließende Haft rechtwidrig (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 25.04.2008 - 15 T 51/08).
Brandenburgisches OLG zur Zuständigkeit der Bundespolizei für Abschiebungshaft:
Das Bundespolizeigesetz überträgt die Zuständigkeit für den Grenzschutz innerhalb von 30 km der Grenze der Bundespolizei. Für Festnahmen und Haftanträge außerhalb dieses Bereichs ist die Bundespolizei nicht zuständig (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 18.04.2008 - 11 Wx 20/08).
VG Berlin zum eigenständigen Aufenthaltsrecht bei vorzeitiger Beendigung einer ehelichen Lebensgemeinschaft:
Grundsätzlich ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach vorzeitiger Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft erst nach zwei Jahren ehelicher Lebensgemeinschaft möglich. Ausnahmsweise ist der Titel als eigenständiger Aufenthaltstitel zu verlängern bei Vorliegen einer besonderen Härte. Eine solche Härte kann auch darin liegen, dass eine Wiederverheiratung nicht möglich ist, weil das Recht des Herkunftslandes (hier: Philippinnen) kein Scheidungsrecht kennt (VG Berlin, Beschl. v. 11.03.2008 - 15 A 449.07). Es ist darauf hinzuweisen, dass die Ehebestandszeit inzwischen auf drei Jahre erhöht wurde.
LG Flensburg: Haftfähigkeit hat der Haftrichter auch bei Abschiebungshaft zu prüfen:
Jahrelang haben sich Haftrichter in Abschiebungshaftsachen geweigert, die Haftfähigkeit des oder der Betroffenen zu prüfen. Das war ein bedenklicher Umgang mit dem Verhältnismäßigkeitsgebot unserer Verfassung. Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn sie unverhältnismäßig ist. Das erkennt auch das LG Flensburg und ordnet die gutachterliche Prüfung der Haftfähigkeit der Betroffenen an (LG Flensburg, Beschl. v. 18.02.2008 - 5 T 44/08).
LG Neuruppin zum Entziehungsverdacht bei Verlöbnis:
Immer wieder kommt es dazu, dass Menschen sich mögen und sich deswegen gegenseitig das Heiratsversprechen abgeben. Das ist schön. Weniger schön ist, dass es auch vorkommen kann, dass bei unerlaubtem Aufenthalt des ausländischen Verlobten plötzlich die Handschellen klicken, um ihn in Abschiebungshaft zu nehmen. Das LG Neuruppin sagt: die deutsche Verlobte ist im Haftverfahren vom Richter anzuhören. Ist die Heiratsabsicht glaubhaft, liegt ein Entziehungsverdacht nicht vor (LG Neuruppin, Beschl. v. 24.01.2008 - 5 T 22/08).
VG Frankfurt/Oder zum Asylverfahren bei deutscher Staatsangehörigkeit:
Die Überschrift macht zwar stutzig, doch es gibt sie: die Asylverfahren von deutschen Staatsangehörigen. Gemäß § 14a AsylVfG werden bei Geburt von Kindern eines Elternteils, der sich selbst im Asylverfahren befindet, von Amts wegen Asylverfahren eingeleitet, sofern die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes, vermittelt durch den anderen Elternteil, dann noch nicht urkundlich feststeht. Wird die deutsche Staatsangehörigkeit eingetragen, wirkt diese zurück auf den Geburtszeitpunkt mit der Folge, dass für einen deutschen Staatsangehörigen ein Asylverfahren eingeleitet wurde. Lehnt das Bundesamt den Asylantrag noch vor der Eintragung der deutschen Staatsangehörigkeit ab und werden dagegen Rechtsmittel eingelegt, um die Abschiebung zu verhindern, so hat das Bundesamt die Verfahrenskosten zu tragen (VG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 28.12.2007 - 6 K 770/07.A).
LG Berlin zur Vorführungshaft:
Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Ausländerbehörde die zwangsweise Vorführung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers vor die Botschaft des Herkunftsstaats anordnen, damit er dort identifiziert wird und ein Reisedokument für die Abschiebung ausgestellt wird. Das Landgericht Berlin hat entschieden, dass es sich dabei grundsätzlich um Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen handelt, für die kein richterlicher Beschluss erforderlich ist (LG Berlin, Beschl. v. 02.07.2007 - 84 T 468/05). Für sehr kurze Zwangsmaßnahmen mag das vertretbar sein, für längere Freiheitsentziehungen nicht.
OVG Berlin-Brandenburg zu Asylverfahren von Tschetschenen:
Zum Teil wurde in der Rechtsprechung - zu Recht - eine Gruppenverfolgung tschetschenischer Volkszugehöriger noch bis 2005 angenommen. Wer als Tschetschene einmal verfolgt worden sei, dem sei es nicht zuzumuten, auch nur zur Beschaffung eines russischen Inlandspasses zum Zwecke der Niederlassung außerhalb Tschetscheniens nach Tschetschenien zurückzukehren. Einen Berufungszulassungsantrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge weist das OVG Berlin-Brandenburg zurück (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 04.05.2007, OVG 2 N 61.07). Die Rechtsprechung zur Gruppenverfolgung ist inzwischen überholt.
VG Berlin zum Duldungsanspruch, wenn die deutsche Verlobte schwanger ist:
Kann ein Ausländer aus der Vaterschaft zu einem deutschen Kind weitergehende Rechte herleiten, dann ist eine Abschiebung vor Geburt des Kindes regelmäßig unzulässig, da das Kind nicht monatelang auf die Rückkehr des Vaters warten kann. Allerdings ist Voraussetzung, dass eine rechtliche Vaterschaft besteht. Verhindert die Ausländerbehörde die Begründung der rechtlichen Vaterschaft, so ist eine Abschiebung auch ohne Begründung der rechtlichen Vaterschaft unzulässig (VG Berlin, Beschl. v. 28.12.2006 - 19 A 334.06). Hinzuweisen ist darauf, dass seit mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Gesetzgeber seit dem 01.07.2013 auch dem biologischen Vater Umgangsrechte zugebilligt hat. Der Nachweis kann durch ein DNA-Gutachten geführt werden.
VG Potsdam zum Abschiebungsverbot für alleinerziehende Frauen aus Afghanistan:
Frauen unterliegen in Afghanistan einer Gefahr für Leib und Leben, wenn sie ohne familiären Rückhalt auskommen müssen und Kinder haben. Sie haben deshalb Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs.7 S.1 (VG Potsdam, Urt. v. 14.11.2006 - 3 K 2143/05.A).
VG Potsdam zur Duldung bei bevorstehender Eheschließung:
Es entspricht einhelliger Rechtsprechung und den Verwaltungsvorschriften, dass eine Eheschließung nicht durch eine Abschiebung verhindert werden darf, wenn die Eheschließung "unmittelbar bevorsteht". Nur ist streitig, wann denn eine Eheschließung "unmittelbar bevorsteht". Immer ist das der Fall, wenn ein Eheschließungstermin beim Standesamt feststeht. Teilweise reicht es aus, wenn die Verlobten alles in ihrer Macht liegende unternommen haben, um den Eheschließungstermin zu erhalten. Deswegen reicht es für einen Duldungsanspruch auch aus, wenn das Standesamt das Eheschließungsverfahren rechtswidrig nicht einleitet (VG Potsdam, Beschl. v. 10.11.2006 - 5 L 165/06).
VG Berlin zum Widerruf des Flüchtlingsstatus von politischen Flüchtlingen aus der Türkei:
Tendenziell soll sich die Lage seit 2004 in der Türkei menschenrechtlich verbessert haben, sagt das Auswärtige Amt. Falsch sagt das Verwaltungsgericht Berlin: Von einer gefahrlosen Rückkehr anerkannter Flüchtlinge in die Türkei kann keine Rede sein (VG Berlin, Urt. v. 13.10.2006 - VG 36 X 67.06).
Kammergericht Berlin zur behördlichen Zuständigkeit in Abschiebungshaftsachen sowie zur notwendigen Anhörung im Beschwerdeverfahren:
Asylbewerber sind regelmäßig verpflichtet, an einem bestimmten Ort den Wohnsitz zu nehmen. Dies ist ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort. Das Kammergericht hat entschieden, dass die für diesen Ort zuständige Ausländerbehörde auch zuständige Behörde für einen Haftantrag ist. Amtshilfeersuchen ermöglichen zwar die Übertragung des Antrags auf eine andere Behörde, sie müssen aber ordnungsgemäß sein. Im Übrigen sind Betroffene in Abschiebungshaftverfahren in der Regel auch im Beschwerdeverfahren anzuhören (KG Berlin, Beschl. v. 29.09.2006 - 25 W 15/05).
AG Schöneberg zur Verweigerung der Entgegennahme des Antrags auf Vornahme der Eheschließung:
Eheschließungen sind mitunter schwerer zu erreichen als Scheidungen. Die ausländischen Verlobten müssen zur Vornahme der Eheschließung ein Ehefähigkeitszeugnis vorlegen. Können Sie das nicht, weil ihr Herkunftsstaat ein solches nicht ausstellt, müssen sie bei der Justizverwaltung des örtlich zuständigen Oberlandesgerichts (in Berlin: Kammergericht) einen Antrag auf Befreiung von der Vorlagepflicht des Ehefähigkeitszegnisses stellen. Die Justizbehörde prüft dann sehr genau, ob die Befreiung erteilt werden kann. Nun hat das Amtsgericht Schöneberg entschieden, dass der Standesbeamte in diese Prüfung nicht vorgreifen darf, in dem er die Annahme des Eheschließungsantrags und des Befreiungsantrags verweigert. Die Entscheidung ist sehr wichtig, weil mit dem laufenden Eheschließungsverfahren unter Umständen ein Abschiebungshindernis begründet wird (AG Schöneberg, Beschl. v. 06.07.2006 - 70 III 885/05).
VG Dessau zur Aufenthaltserlaubnis für subsidiäre Geschützte ohne Pass:
Wer nicht politisch, ethnisch oder religiös verfolgt ist, kann gleichwohl Schutz vor Abschiebung erlangen, wenn ihm Menschenrechtsverletzungen oder sogar die Todesstrafe drohen. Stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein solches Abschiebungsverbot fest, hat die betroffene Person auch dann Anspruch auf die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG, wenn sie keinen Pass hat (VG Dessau, Beschl. v. 09.03.2006 - 3 A 736/05 DE).
KG Berlin zum Beschleunigungsgebot bei Abschiebungshaft:
Auch das Kammergericht Berlin misst dem Beschleunigungsgebot in Abschiebungshaftsachen hohe Bedeutung zu. Sind z.B. mehrere Staatsangehörigkeiten des Betroffenen denkbar, so ist dem sofort durch entsprechende Botschaftvorführungen nachzugehen (KG Berlin, Beschl. v. 22.04.2005 - 25 W 7/05).
VG Dresden zur Verfolgung wegen Homosexualität in Algerien:
Homosexualität ruft in Algerien Verfolgung hervor. Deswegen gewährt das VG Dresden den Flüchtlingsschutz (VG Dresden, Urt. 14.03.2005 - A 1 K 31059/02).
LG Cottbus zur Abschiebungshaft gegen Minderjährige:
Minderjährige stehen unter dem besonderen Schutz unserer Verfassung. Das gilt auch für minderjährige Flüchtlinge. Manchmal ist es unglaublich, wie dieser Schutz von den Behörden mit Füßen getreten wird: Eine junge Tschetschenin war illegal nach Deutschland gekommen um hier um Schutz vor Verfolgung in der Russischen Förderation nachzusuchen. Die Bundespolizei ließ sie in Abschiebungshaft nehmen, ohne vorher die Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Dieses rügt die Betroffene im Haftbeschwerdeverfahren. Unglaublicherweise trägt die Polizei im Beschwerdeverfahren vor, das Rechtsmittel der Beschwerde sei verfristet, weil die Beschwerde nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Haftbeschlusses erhoben worden sei. Zustellungsbevollmächtigt für die Betroffene sei die Bundespolizei (= Antragstellerin) selbst! Dem schiebt das LG Cottbus einen Riegel vor: Der Haftbeschluss muss auch bei Minderjährigen diesen zugestellt und bekannt gegeben werden (LG Cottbus, Beschl. v. 16.02.2005 - 7 T 497/04).
Kammergericht Berlin zur Verhältnismäßigkeit der Abschiebungshaft bei traumatisierten Flüchtlingen:
Leider ist es häufig so, dass es traumatisierten Flüchtlingen nicht gelingt, ihr Verfolgungsschicksal glaubhaft zu machen. Das hat häufig seine Ursache in der Erkrankung. Nach Ablehnung des Asylantrags landen sie in Abschiebungshaft. Nicht so selten kommt es dabei zu nachvollziehbaren psychischen Problemen. Das Kammergericht sieht diese zu Recht als möglichen Grund, eine Unverhältnismäßigeit der Abschiebungshaft anzunehmen (KG Berlin, Beschl. v. 07.02.2005 - 25 W 74/04).
Brandenburgisches Oberlandesgericht verwirft Rechtsbeschwerde der Behörde in Abschiebungshaftsachen:
Grundrechte sollen uns Bürger vor zuviel Staat schützen. Deswegen hat jemand, der zu Unrecht inhaftiert wurde auch aus Gründen der Rehabilitierung das Recht, die Inhaftierung auch dann noch von einem Gericht überprüfen zu lassen, wenn sie bereits durch Haftentlassung erledigt ist. Dass das Bundesverfassungsgericht das erst 2001 entschieden hat, ist schlimm genug. Dass eine Behörde meint, gegen eine solche Feststellung eines Landgerichts die Rechtsbeschwerde einlegen zu müssen mit der Begründung, es gebe ein Feststellungsinteresse der Behörde daran, das ihr eigenes Verhalten rechtmäßig war, ist frech. Gerichte haben nicht die Aufgabe, behördliches Verhalten "abzusegnen" und Behörden haben keine Grundrechte. Das scheint bei einer großen Bundesbehörde im Jahr 2005 noch nicht angekommen zu sein, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht schon (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 28.01.2005 - 11 Wx 54/04).
VG Kassel zur Bewertung widersprüchlichen Vortrags bei traumatisierten Flüchtlingen:
Das Wesen einer Traumatisierung ist, dass der oder die Betroffene die Erinnerung an das traumatisierende Ereignis bewußt oder unbewußt verdrängt. Dieses Vermeidungsverhalten gehört zu den Diagnosekriterien der Erkrankung gemäß ICD-10 oder DSM-IV. Häufig können Traumatisierte deswegen ihr Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft machen. Das Verwaltungsgericht Kassel erkennt dieses und ordnet die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme an (VG Kassel, Beschl. v. 14.05.2004 - 4 G 844/04).
LG Frankfurt/Oder zum Beschleunigungsgebot bei Abschiebungshaft:
Abschiebungshaft dient der Sicherung der Abschiebung. Sie ist weder Strafhaft noch Beugehaft. Soll bestraft oder gebeugt werden, müssen dafür die Rechtsgrundlagen erfüllt sein. Selbst bei sich rechtsuntreu verhaltenden Ausländern muss daher das haftrechtliche Beschleunigungsgebot beachtet werden.Wirkt der Betroffene bei der Vorbereitung der Abschiebung nicht mit, darf die Behörde nichts unversucht lassen, die Abschiebung auch ohne Mitwirkung des Betroffenen schnell zu erreichen. Tut die Behörde dieses nicht, darf der Betroffene nicht länger in Abschiebungshaft genommen werden (LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 21.04.2004 - 12 T 3/04).
Kammergericht Berlin zur Vier-Wochen-Frist des § 14 Abs. 4 S. 3 AsylVfG bei Asylanträgen aus der Abschiebungshaft in sog. Dublin-Fällen:
Auch in Fällen, in denen die Dublin II-Verordnung anwendbar ist, ist ein Häftling aus der Abschiebungshaft spätetstens nach vier Wochen zu entlassen, wenn nicht vorher der Asylantrag als unzuläsig abgelehnt wurde (KG Berlin, Beschl. v. 08.03.2004 - 25 W 20/04). Die Entscheidung führte zu einer Gesetzesänderung.
VG Potsdam zur Verfolgungsgefahr für Oppositionelle aus Yemen:
Angehörige der MOG aus Yemen unterliegen dort einer Verfolgungsgefahr (VG Potsdam, Urt. v. 09.09.2003 - 3 K 4392/02.A).
VG Arnsberg zur Verfolgungsgefahr für armenische Volkszugehörige aus Aserbaidschan:
Asylanträge von armenischen Volkszugehörigen aus Aserbaidschan sind nicht offensichtlich unbegründet (VG Arnsberg, Beschl. v. 24.02.2003 - 6 L 86/03.A).
VG Berlin zur Verfolgungsgefahr für Zeugen Jehovas in Georgien:
Asylanträge von Angehörigen der Zeugen Jehovas aus Georgien sind nicht offensichtlich unbegründet (VG Berlin, Beschl. v. 13.01.2003 - VG 33 X 528/02).
Brandenburgisches OLG zum Prüfungsumfang des Haftrichters (hier: Eheschließung mit deutscher Staatsangehörigen):
Grundsätzlich galt: Haftrichter haben die Voraussetzungen der Abschiebungshaft zu prüfen, nicht hingegen, ob dem Betroffenen ein Aufenthaltsrecht zusteht oder die Abschiebung zulässig ist. Dieses gehört in den Zuständigkeitsberich der Verwaltungsgerichte. In Fällen, in denen die Abschiebung offensichtlich nicht in zulässiger Weise erfolgen konnte, war das schwer verständlich und mit dem Erforderlichkeitsgebot des Grundgesetztes nicht vereinbar. Zu Recht entscheidet das Brandenburgische OLG deswegen, dass Abschiebungshaft auch dann unzulässig ist, wenn die Abschiebung offensichtlich nicht durchgeführt werden darf. Hier hatte der Betroffene die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen geschlossen, weswegen ein Abschiebungshindernis nahe lag (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 28.08.2002 - 8 Wx 32/02).
Brandenburgisches OLG zur Vier-Wochen-Frist des § 14 Abs. 4 S. 3 AsylVfG bei Asylantrag aus der Abschiebungshaft:
Stellt jemand aus der Abschiebungshaft heraus einen Asylantrag, so endet die Haft bei Vorliegen eines Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 AuslG erst nach vier Wochen. Sie endet nicht, wenn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag vorher als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt es dabei allerdings auf den Zeitpunkt der Zustellung an, nicht auf den Zeitpunkt der behördeninternen Entscheidung (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 05.08.2002 - 8 Wx 20/02).
Aktualisiert am: 22.8.2020